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Ersthelfer*innen in der Lagerlogistik: Mehr als nur eine Pflicht

Lisa-Marie Karusseit

Über gelebte Verantwortung im Lageralltag und den Wert von schneller Hilfe.

In a nutshell: Im Notfall zählen oft Sekunden. Ersthelfer*innen überbrücken die Zeit, bis Rettungsdienste eintreffen, und können Leben retten. Doch sie sind mehr als eine gesetzliche Pflicht. Wie Unternehmen von mehr Ersthelfern*innen profitieren und ihre Teams fit für den Ernstfall machen, zeigt dieser Artikel.

Trotz aller Planung und Sicherheitsvorkehrungen können Unfälle oder medizinische Notfälle nie vollständig ausgeschlossen werden. Genau hier kommen Ersthelfer*innen ins Spiel: Sie sind die ersten, die bei einem Vorfall eingreifen, und oft die entscheidenden Minuten, bis der Rettungsdienst eintrifft, können über Leben und Tod entscheiden. 

Gesetzliche Pflicht – kurze Zusammenfassung 

Die Grundlage für die Bereitstellung von Ersthelfern*innen in Unternehmen bildet die DGUV Vorschrift 1 (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung). Unternehmen sind verpflichtet, eine Mindestanzahl an Ersthelfer*innen zu benennen und diese regelmäßig auszubilden. Nach § 26 Absatz 1 der Vorschrift ist mindestens ein*e Ersthelfer*in erforderlich, sobald zwei oder mehr Beschäftigte im Betrieb tätig sind. Bei größeren Belegschaften steigen die Anforderungen: 

  • In Verwaltungs- und Handelsbetrieben müssen mindestens 5 Prozent der Mitarbeitenden als Ersthelfer*innen ausgebildet sein. 
  • In anderen Betrieben, wie beispielsweise in der Logistik, liegt die Quote bei 10 Prozent der Belegschaft

Die Ersthelfer*innenausbildung bleibt gemäß § 26 Absatz 3 nur zwei Jahre gültig. Danach ist eine Auffrischung erforderlich, um den Status als betriebliche*r Ersthelfer*in zu behalten.  

In vielen Betrieben wird diese Pflicht jedoch häufig als notwendige bürokratische Hürde angesehen, anstatt als wertvollen Vorteil wahrgenommen zu werden. Dabei bietet die aktive Förderung von Ersthelfern*innen in der Lagerlogistik nicht nur rechtliche Sicherheit, sondern auch einen echten Mehrwert für das Unternehmen und die Mitarbeiter*innen. 

Warum mehr Ersthelfer*innen als rechtlich vorgeschrieben sinnvoll sind 

  1. Schnelles Eingreifen rettet Leben: 
    Lagerumgebungen bergen viele potenzielle Gefahren, sei es durch Maschinen, Fahrzeuge wie Gabelstapler oder schwere Lasten. Verletzungen, plötzliche Erkrankungen oder Unfälle können jederzeit auftreten. Ersthelfer*innen sind geschult, in solchen Momenten schnell und kompetent zu handeln und können Leben retten, bevor der professionelle Rettungsdienst eintrifft. 
  2. Stärkung des Sicherheitsgefühls: 
    Die Präsenz von geschulten Ersthelfern*innen kann Mitarbeiter*innen ein Gefühl der Sicherheit geben. Das Wissen, dass im Notfall schnelle Hilfe vor Ort ist, schafft Vertrauen und stärkt das Wohlbefinden am Arbeitsplatz. 
  3. Motivation und Verantwortungsbewusstsein: 
    Die Ausbildung von Ersthelfern*innen fördert nicht nur die individuelle Kompetenz, sondern auch das Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeiter*innen. Viele erleben diese Rolle als Bereicherung und entwickeln ein besonderes Engagement zum Unternehmen. 
  4. Präventiver Nutzen: 
    Ersthelfer*innen sind oft sensibler für potenzielle Gefahrenquellen und tragen durch ihre Aufmerksamkeit zur Unfallprävention bei. Dadurch kann die allgemeine Sicherheit im Lager nachhaltig verbessert werden. 

Praxistipp: Niedrigschwellige Kommunikationstools zur Meldung von Gefahrenstellen einführen, sodass die Facility oder HSE (Health, Saftey, Environment) Abteilung direkt in die Umsetzung gehen können. Welche Kommunikationstools in Lagerlogistikunternehmen vorteilhaft sind, wird hier genauer beschrieben.

  1. Imagegewinn für das Unternehmen: 
    Unternehmen, die aktiv in die Ausbildung und Förderung von Ersthelfer*innen investieren, zeigen, dass ihnen die Gesundheit und Sicherheit ihrer Mitarbeiter*innen am Herzen liegt. Das stärkt nicht nur das Employer Branding, sondern auch die Unternehmenskultur. 

Praktische Schritte: So wird Ersthilfe gefördert 

  • Ersthelfer*innenquote erhöhen: 
    Anstatt nur die Mindestanforderung zu erfüllen, können Unternehmen zusätzliche Ersthelfer*innen ausbilden. Gerade in großen Lagerhallen oder Schichtbetrieben ist es sinnvoll, mehrere geschulte Personen vor Ort zu haben. 
  • Regelmäßige Schulungen: 
    Auffrischungskurse und praxisorientierte Trainingseinheiten helfen Ersthelfer*innen, ihre Kenntnisse aktuell zu halten und in einem echten Notfall sicher zu reagieren. 

Praxistipp: Ein gemeinsames Training mit der freiwilligen Feuerwehr des umliegenden Ortes kann für alle Einsatzkräfte, sowohl die internen Ersthelfer*innen als auch für die Feuerwehrkräfte, eine spannende Erfahrung sein und die Kooperation im Ernstfall verbessern.   

  • Einbindung in die Sicherheitskultur: 
    Ersthelfer*innen sollten aktiv in Sicherheitsmaßnahmen und Notfallpläne eingebunden werden. Ihre Expertise kann dazu beitragen, Prozesse und Abläufe weiter zu verbessern. 

Praxistipp: Eine Gruppe von Ersthelfer*innen kann ein Video erstellen, das den Ablauf einer Gebäudeevakuierung anschaulich erklärt. Dieses Video lässt sich ideal in den Onboarding-Prozess neuer Mitarbeiter*innen integrieren, um wichtige Sicherheitsmaßnahmen von Anfang an zu vermitteln. Mehr zum Thema Onboarding findest du hier.

  • Anerkennung und Motivation: 
    Unternehmen können Ersthelfer*innen für ihr Engagement würdigen, z. B. durch interne Auszeichnungen oder zusätzliche Benefits. Dies fördert die Bereitschaft, diese wichtige Rolle zu übernehmen. 

Ein Beispiel, das Leben rettet 

Ein konkreter Vorfall verdeutlicht, wie wichtig gut ausgebildete Ersthelfer*innen sein können: In einem Lagerbetrieb erlitt ein Mitarbeiter einen plötzlichen Herzstillstand. Dank eines sofort verfügbaren Ersthelfers und eines Defibrillators konnte der Mitarbeiter stabilisiert und rechtzeitig ins Krankenhaus gebracht werden. Ohne das schnelle Eingreifen wären die Überlebenschancen minimal gewesen. 

Jede:r kann und sollte helfen 
Auch wenn speziell ausgebildete Ersthelfer*innen eine zentrale Rolle spielen, gilt: In einem Notfall zählt jede Sekunde, und alle Mitarbeiter*innen sind dazu aufgerufen, Erste Hilfe zu leisten – auch ohne spezielle Schulung. Die grundlegenden Maßnahmen, wie das Absetzen eines Notrufs, die stabile Seitenlage oder Herzdruckmassage, können von jeder Person durchgeführt werden und machen oft den entscheidenden Unterschied. Unternehmen sollten daher nicht nur Ersthelfer*innen ausbilden, sondern auch alle Teams regelmäßig für die Bedeutung von Erster Hilfe sensibilisieren und dazu ermutigen, im Ernstfall aktiv zu helfen. Denn Hilfe leisten ist nicht nur Pflicht, sondern vor allem ein Akt der Menschlichkeit. 

Fazit 

Ersthelfer*innen sind in der Lagerlogistik keine lästige Pflicht, sondern eine wertvolle Ressource. Sie retten Leben, verbessern die Sicherheitskultur und tragen zur Vermeidung von schweren Unfällen bei. Unternehmen, die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen, setzen ein starkes Zeichen für Verantwortung und Wertschätzung gegenüber ihren Mitarbeitern*innen – und profitieren langfristig von einer sicheren, gesunden und engagierten Belegschaft. 

 

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Quelle: 

DGUV: Erste Hilfe

Autor*in

Lisa-Marie Karusseit

Lisa ist seit mehreren Jahren als Personal- und Kommunikationsexpertin in den Bereichen E-Commerce und Logistik tätig. Bei even logistics teilt sie ihre umfangreichen Erfahrungen, führt Gespräche mit Expert*innen und zeigt auf, wie starke People & Culture-Strategien den nachhaltigen Erfolg von Logistikunternehmen fördern. Jenseits des beruflichen Alltags tobt sich Lisa mit abstrakter Kunst kreativ und auf dem Surfbrett sportlich aus.


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