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Blond, 1,60m groß, Frau am Steuer – Kira bricht mit dem Klischee
Einblicke in das Leben einer Fernkraftfahrerin: Ein Interview mit Kira Ölkers.

In a nutshell: Was bedeutet es, als junge Frau mit 40 Tonnen durchs Land zu fahren? Kira Ölkers gibt uns einen ehrlichen, starken und manchmal überraschend witzigen Einblick in ihren Alltag als Fernfahrerin – zwischen Autobahnrampen, WhatsApp-Gruppen und digitaler Lkw-Community. Ein Text über Mut, Selbstbestimmung und die Frage, was auf deutschen Straßen wirklich zählt.
Frauenpower auf deutschen Autobahnen
Als ich mich mit Kira zum Interview verabrede, ist mir schnell klar: Hier spricht Keine, die sich kleinreden lässt. Kira Ölkers ist 28 Jahre alt, Fernkraftfahrerin und liebt ihren Job. Sie fährt für eine mittelständische Premium Spedition namens Ajdini durch ganz Deutschland und darüber hinaus. „Holland ist mein zweites Zuhause geworden“, sagt sie lachend.
Sie ist montags bis freitags unterwegs: eine Woche, ein Lkw, unzählige Kilometer. „Das ist für mich Alltag. Ich fahre Planenauflieger und bin ausschließlich im Fernverkehr. Rotterdam, Deutschland, Ost-West-Achse - das ist meine Welt.“
Wie man als Frau in einer Männerdomäne seinen Platz findet
Natürlich wollten wir auch darüber sprechen, wie es ist, als Frau am Steuer eines 40-Tonners zu sitzen in einer Branche, die nach wie vor stark männerdominiert ist. Kira nimmt kein Blatt vor den Mund:
„Ich habe natürlich schon mal einen Spruch kassiert: Was willst du denn auf einem Lkw, du gehörst doch in die Küche. Ich sag dann ganz klar: Ich brauche keinen Schwanz, um Lkw zu fahren.“
Solche Aussagen sitzen. Kira begegnet Vorurteilen mit Selbstbewusstsein, aber auch mit einem gesunden Maß an Realitätssinn. „Natürlich gucken die Leute. Ich bin blond, 1,60 Meter groß, da wird schon mal gefragt, ob ich das überhaupt kann.
Aber dann fahre ich rückwärts über rechts an die Rampe – und das sitzt.“ Sie erklärt mir, dass das ein eher anspruchsvolles Manöver ist, denn die Mehrheit der Fahrer*innen nutzt normalerweise die linke Seite zum Andocken.
Sicherheit als Frau auf Rastplätzen
Ein Thema, das mir persönlich wichtig war: Fühlt sich Kira als Frau nachts auf Rastplätzen sicher?
„Ich guck schon genau, wo ich mich hinstelle. Mein Chef achtet auch darauf. Wenn ich mich dann doch mal unsicher fühle, ruf ich jemanden an, der mich am Handy begleitet, wenn ich zur Tankstelle laufe.“
Auch in der Lkw-Community achtet man aufeinander: „Auch die Kollegen*innen aus Polen oder Rumänien sind sehr aufmerksam, wenn ich da rumlaufe – wir sind wie eine kleine Familie.“
Organisation auf Achse: Zwischen WhatsApp und Dispo
Besonders spannend fand ich, wie sich ihr Alltag organisiert. Während viele Firmen mit Tablets und Softwarelösungen für die Auftragsplanung arbeiten, nutzt Ajdini eine WhatsApp-Gruppe: pragmatisch und direkt.
„Da sind alle Fahrer*innen, alle Disponenten*innen und sogar der Chef drin. Das ist schnell, direkt und du weißt, wer noch alles unterwegs ist.“
Kira schätzt diese Art der Kommunikation, auch, weil sie dadurch viel Unterstützung erfährt. „Wenn ich mal irgendwo nicht weiterweiß, schreib ich rein: Ey Leute, kennt ihr den Kunden? Und dann hilft jemand. Das ist gelebte Community.“
Allein, aber nicht einsam: Der soziale Aspekt auf Tour
Für mich persönlich ist der Austausch mit Kollegen*innen auf der Arbeit essenziell. Deshalb frage ich mich, wie macht Kira das während ihrer Touren. Fühlt sie sich allein im Alltag?
Trotz der vielen Stunden allein im Führerhaus fühlt sich Kira nicht einsam, betont sie. „Ich habe meine Jungs. Wir telefonieren viel, tauschen uns aus. Manchmal planen wir sogar den Feierabend gemeinsam an einer Raststätte.“ Dabei geht es nicht nur um berufliche Themen, sondern auch um Alltagsdinge, die man einfach teilen möchte, wie mit Kolleg*innen im Büro, nur eben auf der Autobahn.
Ein besonders spannender Punkt ist die digitale Vernetzung unter Fahrer*innen. Kira erzählt mir von „Truckhell“, einer Community-App für Lkw-Fahrer*innen. Dort kann man nicht nur sehen, wer gerade wo unterwegs ist, sondern sich auch aktiv austauschen: über Routen, Kunden, Staus oder einfach das Leben auf der Straße. „Da schreiben auch viele Mädels mit. Das ist schon cool, weil man weiß: Ich bin nicht allein da draußen“, sagt Kira.
Diese Form der digitalen Solidarität ersetzt für viele den klassischen Pausenraum. Probleme werden geteilt, Lösungen gemeinsam gefunden, ganz egal, ob man sich persönlich kennt oder nicht. „Ich habe da schon einige kennengelernt, mit denen ich regelmäßig schreibe. Man unterstützt sich, lacht zusammen, regt sich gemeinsam auf – das ist Gold wert“, meint sie.
Und wenn sie mal ihre Ruhe braucht?
„Musik läuft immer. Ich mache selbst Musik, das hilft mir total. Und wenn es mal stressig war, gönn ich mir auch mal was – bestell mir was über Lieferando oder geh essen.“
Mit einer Mikrowelle, einem Fernseher und einer Community in der Tasche gestaltet Kira ihren Feierabend oft genauso gemütlich wie andere Menschen im Wohnzimmer, nur eben mit Lkw-Panorama.
Was auf deutschen Straßen wirklich nervt
Was sich ändern müsste: Ein Appell an Politik und Gesellschaft
Trotz aller Leidenschaft weiß Kira: Der Beruf hat ein Imageproblem. Und sie hat klare Forderungen:
- Mehr Parkplätze und saubere sanitäre Anlagen
- Faire Bezahlung mit Rentenbeiträgen auf Spesen
- Wertschätzung durch Politik und Gesellschaft
„Ich will kein Nummernschild sein. Ich will als Mensch gesehen werden. Und ich habe zum Glück jetzt eine Firma gefunden, wo das so ist.“
Warum sie ihren Job liebt
Ich frage Kira zum Schluss, warum sie ihren Beruf so liebt. Ihre Antwort ist ehrlich, direkt und zeigt, warum Berufskraftfahrer*in nicht einfach nur ein Job, sondern oft Berufung ist:
„Ich bin mein eigener Chef. Ich sehe so viel von Europa. Ich habe Freunde in der Schweiz, in Holland. Es ist nicht nur Arbeit, es ist ein Lebensgefühl.“
Wenn der Asphalt erzählt – was Kiras Alltag uns zeigt
Nach dem Interview mit Kira bin ich beeindruckt. Von ihrem Mut, ihrer Klarheit, ihrem Humor. Und von der Community, die sich unter Lkw-Fahrern*innen aufgebaut hat – digital, menschlich und solidarisch.
Vielleicht hilft Kiras Geschichte ja dabei, mehr junge Menschen, vor allem Frauen, für diesen Beruf zu begeistern. Und vielleicht bringt es auch ein paar Entscheider*innen zum Nachdenken.
Denn eines steht fest: Ohne Menschen wie Kira steht in Deutschland bald nicht nur der Verkehr still, sondern auch der ganze Laden.
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