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Mindestlohnerhöhung beschlossen: Was sie für die Logistik bedeutet
Ein strategischer Weichensteller, der rechtzeitiges Handeln in Personal-, Kosten- und Standortfragen erfordert.

In a nutshell: Steigende Energiepreise, Personalmangel, Digitalisierungsdruck — und nun auch eine kürzlich beschlossene neue Stufe beim gesetzlichen Mindestlohn. Was bedeutet diese Entwicklung für eine Branche, in der viele Beschäftigte bisher nur knapp über dem Mindestlohn lagen? Wie sollen Unternehmen reagieren — nur das gesetzliche Minimum umsetzen oder gezielt mehr zahlen? Und bleibt die Logistik dabei in Deutschland oder verlagern sich Prozesse ins Ausland?
Mehr Geld für viele und mehr Kosten für Unternehmen
Seit dem 1. Januar 2025 lag der Mindestlohn in Deutschland bei 12,82 Euro pro Stunde. Nun steht fest: Der Mindestlohn, aktuell bei 12,82 Euro, wird erneut erhöht. Die Mindestlohnkommission hat beschlossen, dass der gesetzliche Stundenlohn zum 1. Januar 2026 auf 13,90 Euro steigt und zum 1. Januar 2027 weiter auf 14,60 Euro angehoben wird. Erstmals orientiert sich die Anpassung an einem Zielwert von 60 % des Medianlohns – damit rückt mittelfristig die 15-Euro-Marke in greifbare Nähe.
Für Beschäftigte in Lager, Transport und Kommissionierung ist die Erhöhung eine gerade offiziell verkündete gute Nachricht: mehr Geld am Monatsende, mehr Schutz vor Ausbeutung, mehr Anerkennung. Gerade in Zeiten hoher Lebenshaltungskosten ein wichtiges Signal.
Für Unternehmen jedoch bedeutet das eine spürbare Belastung:
- Höhere Personalkosten bei gleichbleibenden Margen
- Notwendige Anpassungen in Lohnabrechnung, Arbeitsverträgen und Zeiterfassung
- Druck auf Dienstleistungspreise insbesondere bei kleineren oder margenschwachen Betrieben
Viele Firmen müssen handeln, um die Umstellung organisatorisch und finanziell zu meistern. Und manche sollten sich sogar die Grundsatzfrage stellen: Reicht die gesetzliche Erhöhung oder ist ein noch höherer Lohn strategisch sinnvoll? Welche Gehaltsspannen es in der Logistikbranche in Deutschland zurzeit gibt, liest du in unserem Gehaltsstatistik-Check nach.
Über den Mindestlohn hinauszahlen – sinnvoll oder riskant?
Die beschlossene Erhöhung des Mindestlohns ist weit mehr als eine tarifpolitische Anpassung – sie wurde am 27. Juni offiziell beschlossen und wird nun umgesetzt. Sie wird zum strategischen Wendepunkt für die gesamte Logistikbranche. Denn klar ist: Der aktuelle Sprung fällt deutlich größer aus als bisherige Anhebungen.
Argumente für eine Zahlung über den Mindestlohn:
- Mitarbeiter*innenbindung & niedrigere Fluktuation
Wer mehr zahlt, signalisiert Wertschätzung. Die Folge: weniger Wechsel, geringere Rekrutierungskosten, stabilere Teams. - Wettbewerbsvorteil bei der Personalsuche
Die Logistik konkurriert mit Einzelhandel, Pflege oder Gastronomie um denselben Bewerberpool. Ein attraktiverer Stundenlohn kann zum entscheidenden Vorteil werden, insbesondere bei Randzeiten und Engpässen in der Personalbesetzung. - Planungssicherheit für die Zukunft
Der Mindestlohn steigt regelmäßig. Wer heute etwas mehr zahlt, muss morgen weniger hektisch nachjustieren und gewinnt strukturelle Stabilität. - Besseres Arbeitgeberimage
Eine faire Bezahlung stärkt die Marke, sowohl intern als auch auf dem Bewerbermarkt. Das kann auch im öffentlichen Diskurs positiv genutzt werden.
Wann ist Zurückhaltung geboten?
Nicht alle Unternehmen können oder sollten diesen Schritt gehen:
- Für kleinere Unternehmen mit begrenzten finanziellen Ressourcen zählt jeder Cent: Selbst geringe Lohnerhöhungen können darüber entscheiden, ob sie bei Aufträgen den Zuschlag erhalten oder nicht.
- Subunternehmer im Transportbereich stehen ohnehin unter massivem Preisdruck durch große Auftraggeber – da ist kaum Luft für Aufschläge.
- Ein Rechenbeispiel:
0,50 Euro mehr pro Stunde bei 100 Vollzeitkräften = rund 90.000 Euro Mehrkosten im Jahr.
Auch ohne höhere Grundlöhne lassen sich Mitarbeiter*innen binden und motivieren.
Wer nicht über dem Mindestlohn zahlen kann oder möchte, kann auf zielgerichtete Zusatzanreize setzen. Weitere Vorschläge für nicht-monetäre Benefits findest du in diesem Blogbeitrag.
Beispiele:
- Anwesenheits- oder Leistungsboni
- Zuschläge für bestimmte Schichten
- Essens- oder Fahrtkostenzuschüsse
- Zusatzurlaub bei langjähriger Betriebszugehörigkeit
- Schulungs- und Qualifizierungsangebote
So lassen sich Mitarbeiterwertschätzung und Flexibilität besser verbinden.
Gefahr durch Abwanderung? Der Verlagerungsdruck ins Ausland wächst
Eine der meistdiskutierten Folgefragen lautet: Verlagert sich die Logistik zunehmend ins Ausland, wenn die Mindestlöhne in Deutschland steigen?
Treiber der Verlagerung:
- Lohnkosten
In osteuropäischen Ländern wie Polen, Tschechien oder Rumänien liegen die Stundenlöhne teils bei nur 5–7 Euro – ein erheblicher Kostenvorteil bei einfachen Tätigkeiten wie Etikettierung oder Umpacken. - Standardisierte Prozesse mit geringer Wertschöpfung
Was nicht zeitkritisch ist und keine Nähe zum Kunden*innen erfordert, kann vergleichsweise leicht ausgelagert werden. Besonders betroffen: Fulfillment-Zentren, Konfektionierung, manuelle Verpackung. - Druck auf Logistikdienstleister
Große Auftraggeber im E-Commerce drücken die Preise – Dienstleister müssen reagieren und prüfen Nearshoring-Modelle mit Cross-Docking zurück nach Deutschland.
Was bremst die Auslandsverlagerung?
Trotz des wirtschaftlichen Anreizes bleiben viele Prozesse in Deutschland – aus guten Gründen:
- Automatisierung
Investitionen in Fördertechnik, Roboter oder Pick-by-Light-Systeme erhöhen die Effizienz im Inland und machen Standorte konkurrenzfähig. - Regulatorische Hürden
Lieferketten über Grenzen hinweg sind anfälliger für Bürokratie, Zollvorgaben und politische Unsicherheiten. - Kund*innennähe
Retourenabwicklung, Next-Day-Delivery oder Ersatzteillogistik erfordern physische Nähe zum Kunden*innen.
Mindestlohnerhöhung als Weichensteller für die Logistik
Die beschlossene Erhöhung des Mindestlohns ist weit mehr als eine tarifpolitische Anpassung – sie wird zum strategischen Wendepunkt für die gesamte Logistikbranche. Denn klar ist: Der aktuelle Sprung fällt deutlich größer aus als bisherige Anhebungen.
Sie zwingt Unternehmen zu Entscheidungen auf folgende Fragen:
- Wo lohnt sich eine freiwillige Überzahlung?
- Welche Prozesse lassen sich durch Automatisierung zukunftssicher gestalten?
- Welche Standorte bleiben wirtschaftlich tragfähig und wo entstehen neue Risiken durch internationale Konkurrenz?
Je früher diese Fragen aktiv angegangen werden, desto besser lassen sich betriebliche, strategische und personelle Maßnahmen vorausschauend und unter Einbindung aller relevanten Bereiche planen. Denn fest steht: Die Mindestlohnerhöhung wird zur Nagelprobe für Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz – gerade in einer Branche, die auf Effizienz, Flexibilität und Personal angewiesen ist.
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