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Drei Stationen, ein Ziel: Jan Schneider über Logistik, Prozesse und TMS
Von Coca-Cola über Tchibo bis SHK: Dr. Jan Schneider zeigt, wie TMS Projekte Unternehmen verändern und worauf es bei der Einführung ankommt.

In a nutshell: Transport Management Systeme (TMS) helfen, komplexe Liefernetzwerke effizienter zu steuern, Transparenz zu schaffen und Kosten sowie Ressourcen besser zu kontrollieren. Doch die Einführung ist kein Selbstläufer: Jedes Unternehmen hat andere Strukturen, Erwartungen und Hindernisse. Dr. Jan Schneider, mittlerweile Director Supply Chain bei SHK Deutschland, zeigt anhand seiner Erfahrungen bei Coca-Cola, Tchibo und SHK, wie unterschiedlich die Wege aussehen können und warum Kommunikation und Change Management entscheidend sind.
👉 Was genau ein TMS eigentlich ist, welche Funktionen es erfüllt und welchen Mehrwert es bietet, erklären wir hier in unserem Grundlagenbeitrag.
Coca-Cola: Pilotregion und Schulungszentrum
Seine erste intensive Beschäftigung mit digitaler Tourenoptimierung hatte Jan bei Coca-Cola Bottler in Bayern. Ziel war es, die „Rote Flotte“, so werden die eigenen Coca-Cola Lkws genannt, optimal auszulasten. Dabei ging es nicht nur um die Touren selbst, sondern auch um die richtige Anzahl Fahrzeuge, die passende Fahrzeuggröße, etwaige Anhänger-Kombinationen und einen effizienten Füllgrad. „Uns ging es darum, bei einem schwankenden Tagesvolumen jeden Tag die richtige Anzahl Lkw in der richtigen Größe und mit einem hohen Füllgrad auf die Reise zu schicken und dies unter strikter Beachtung der zu jener Zeit verschärften Lenk- und Ruhezeiten-Gesetze“, erzählt Jan.
Im Pilotprojekt in Bayern wurden Kennzahlen wie die Stopp-Dauer, Stopp-Dichte, Touren-Länge oder der Lkw-Füllgrad wöchentlich getrackt und in Management-Meetings ausgewertet. Auch die Stopp-Mengen, also wie viele Kisten oder Gebinde pro Stopp abgeliefert wurden, waren zentrale Kennzahlen.
Nach dem erfolgreichen Rollout in Deutschland wurde die Region Bayern zum Schulungszentrum für andere Bottler aus Europa. Teams aus Nord- und West-Europa kamen nach Fürstenfeldbruck, um sich die neu gestalteten Prozesse im Rahmen des Operational Excellence Programms anzusehen. „Wir haben den internationalen Gästen gezeigt, wie wir Standorte umgebaut und Touren disponiert haben. Das ging von den groben Planungsansätzen und das Projekt-Management über die Dienstleister-Auswahl bis hin zu detaillierten Implementierungserfahrungen“, so Jan.
Tchibo: End-to-End-Denken und Systembruch
Bei Tchibo ging Jan noch einen Schritt weiter. Ziel war es, ein durchgängiges Transportmanagementsystem über alle Transportarten hinweg einzuführen: Schiene, Straße, Luft und See, inklusive Retouren aus dem Onlinehandel und den Filialen. „Wir wollten das einmal komplett neu designen, wirklich für alle Transporte, die Tchibo bedient“, beschreibt er.
Vor der Einführung war die Realität geprägt von Medienbrüchen: Telefon, E-Mail, Excel-Listen und eine „absturzgefährdete Access-Datenbank“, die von einem Externen betreut wurde, der nebenbei eine Flugschule leitete. „Da war nichts, womit man sich gut gefühlt hat“, erinnert sich Jan.
Die Wahl des Systems wurde nach einer europaweiten Ausschreibung in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IML getroffen. Ausschlaggebend war neben den Vorgaben des Fachbereiches unter anderem auch die bestehende IT-Architektur bei Tchibo, die stark auf SAP und Cloud-Lösungen ausgelegt war.
Neben der technischen Komplexität stand vor allem das Change Management im Vordergrund. „Das ist kein IT-Projekt, sondern ein Projekt für das ganze Unternehmen“, betont Jan. Die Einführung betraf nicht nur die Logistik, sondern auch Vertrieb, Einkauf und externe Dienstleister.
Herausfordernd waren auch Stolpersteine bei der Umsetzung des Lastenhefts. „Unsere Leute haben A geschrieben, die anderen haben B verstanden“, sagt Jan. Immer wieder kam es zu Abweichungen, weil Details in der Interpretation unterschiedlich ausgelegt wurden.
Für Jan war klar: Ohne Puffer läuft so ein Projekt nicht. „Ich würde immer ca. 10 % als zeitlichen und finanziellen Puffer einplanen, auch wenn man zu Beginn nicht weiß, wann und wofür. Der Bedarf kommt garantiert“, empfiehlt er.
SHK: Entscheidung auf Holding-Ebene trifft auf gewachsene Strukturen
Heute begleitet Jan die Einführung eines neuen Systems bei der SHK. Anders als bei Tchibo wurde die Entscheidung für das System bereits auf Holding-Ebene getroffen. Trotzdem ist die Ausgangslage komplex: Unterschiedliche regionale und mittelständisch geprägte Prozesse, verschiedene historische Vorgehensweisen und das sogenannte „Kopf-Monopol“.
„Es gibt Mitarbeiter, die alles aus dem Kopf wissen. Was passiert aber, wenn die Person ausfällt oder in Rente geht? Dieses Wissen muss ins System überführt werden“, erklärt Jan.
Besonders anschaulich beschreibt er das Beispiel des Fahrers „Uwe“, der seit Jahrzehnten den gleichen Kunden beliefert und genau weiß, wie weit er auf dem geschotterten Hof einfahren darf, wann der Kunde anzutreffen ist und wie empfindliche Ware für diesen speziell verpackt werden muss. „Wenn Uwe morgen nicht mehr fährt, fehlt dieses Wissen komplett“, betont Jan. Ziel ist es, genau solche Erfahrungswerte systemisch zu sichern, damit sie auch für neue oder andere Fahrer verfügbar bleiben.
Neben der Prozess-Harmonisierung plant die SHK auch, Flottenstrukturen in Zukunft flexibel zu gestalten, etwa durch E-Sprinter für Innenstadt-Belieferungen oder kleinere Fahrzeuge für individuelle Anforderungen. All das soll ab Herbst mit ersten Pilot-Lkw starten und anschließend deutschlandweit ausgerollt werden.
Fazit: Mehr als Software
Jan Schneider sieht TMS-Projekte nie nur als Software-Einführung. Sie sind ein ganzheitlicher Transformationsprozess, der das Unternehmen langfristig verändert und den Kundenservice unterstützt. „Am Ende ist TMS eine Abkürzung für ganz viele Dinge, die im Detail echt komplex sein können. Ein Logistik-Manager muss Komplexität managen und gleichzeitig so auflösen, dass sie für alle verständlich und anwendbar wird“, fasst er zusammen.
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