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Einführung von Lagerverwaltungssystemen: Traditioneller vs. Moderner Ansatz

Andreas Löwe

Über die Frage, ob Unternehmen bei der LVS-Auswahl auf langfristige Planung oder agile Praxis setzen sollten – und worauf es ankommt.

In a nutshell: Wenn man den Begriff „Lagerverwaltungssystem“ oder in englisch „Warehouse Management System“ (WMS) in die Suchmaske der präferierten Suchmaschine eingibt, ist die nächste vorgeschlagene Ergänzung oft „kostenlos“. Doch warum sollte eine Software, die so tief in betriebliche Abläufe eingreift, kostenlos sein? Diese Frage offenbart eine weit verbreitete Fehleinschätzung: Ein Lagerverwaltungssystem ist keine einfache App, die man installiert und sofort nutzt. Es ist vielmehr das digitale Herzstück eines Lagers, das den gesamten Materialfluss steuert, Schnittstellen zu Maschinen und Mitarbeitenden bereitstellt und dabei sowohl Effizienz als auch Fehlerfreiheit gewährleistet. 

Die Geschichte der Lagerverwaltung zeigt, dass sich die Anforderungen an solche Systeme über Jahrzehnte hinweg verändert haben. Während früher analoge Prozesse durch einfache digitale Abbildungen ersetzt wurden, erwarten Unternehmen heute leistungsfähige Systeme, die nicht nur Daten speichern, sondern auch aktiv in Prozesse eingreifen. Moderne LVS sind in der Lage, Warenbewegungen zu optimieren, Abläufe effizienter zu gestalten und durch Automatisierung wertvolle Zeit und Ressourcen einzusparen. 

Doch welche Vorgehensweise ist die richtige, um das passende LVS auszuwählen? Der Auswahlprozess kann strukturiert und langfristig geplant oder agil und praxisnah erfolgen. Beide Methoden haben ihre Vor- und Nachteile – und genau diese wollen wir uns nun gemeinsam anschauen. 

Traditioneller Auswahlprozess: Detaillierte Planung und strukturierte Entscheidungsfindung 

Der traditionelle Ansatz basiert auf einer umfassenden Analysephase und klar definierten Entscheidungswegen. Unternehmen setzen auf strukturierte Ausschreibungen und detaillierte Bewertungen, um langfristige Investitionen abzusichern. 

Bedarfsanalyse und Lastenhefterstellung 

Eine fundierte Bedarfsanalyse ist der erste Schritt. Dabei werden alle relevanten internen Abteilungen eingebunden, um Anforderungen an das LVS zu definieren. In Workshops werden funktionale und technische Aspekte wie Bestandsverwaltung, Automatisierung und Schnittstellen zu bestehenden Systemen diskutiert. Diese Anforderungen werden in einem Lastenheft festgehalten, das als Basis für die Anbietersuche dient. 

Marktrecherche und Anbieterbewertung 

Nach der Definition der Anforderungen beginnt die Recherchephase. Unternehmen analysieren den Markt durch Fachmessen, Branchenkontakte und Online-Bewertungen. Anschließend werden gezielte Anfragen an potenzielle Anbieter gestellt. In einer Ausschreibungsphase präsentieren die Anbieter ihre Lösungen, die dann anhand eines Kriterienkatalogs bewertet werden. 

Pilotphase und Implementierung 

Nach der Auswahl eines geeigneten Systems folgt häufig eine Pilotphase, in der das LVS in einer realen Umgebung getestet wird. Erst nach einer erfolgreichen Testphase erfolgt die flächendeckende Implementierung, gefolgt von Schulungen für die Mitarbeiter und einer kontinuierlichen Optimierung. 

Vorteile: 
Minimierung von Risiken: Durch eine gründliche Planung und Analyse werden potenzielle Fehlerquellen frühzeitig erkannt und eliminiert. 
Langfristige Stabilität: Detaillierte Anforderungsanalysen gewährleisten, dass das LVS über viele Jahre hinweg optimal funktioniert. 
Klare Anbieterbewertung: Eine systematische Ausschreibung und Marktanalyse ermöglichen fundierte Entscheidungen und die Wahl des besten Systems. 
Regulatorische Sicherheit: Der strukturierte Ansatz erleichtert die Einhaltung gesetzlicher und branchenspezifischer Vorgaben. 

Nachteile: 
Lange Implementierungszeit: Der Auswahlprozess kann sich über 6 bis 18 Monate erstrecken, bevor das LVS in Betrieb geht. 
Hohe Kosten: Detaillierte Planung, Marktanalyse und Testphasen verursachen hohe Anfangsinvestitionen. 
Eingeschränkte Flexibilität: Einmal getroffene Entscheidungen sind schwer revidierbar, spätere Anpassungen sind oft aufwendig und teuer. 

Moderner Auswahlprozess: Agilität und Praxisnähe 

Agile Unternehmen setzen auf einen flexibleren Auswahlprozess, bei dem das LVS frühzeitig getestet wird, um sicherzustellen, dass es den Anforderungen entspricht. 

Dynamische Bedarfsanalyse und Lean Research 

Statt eines starren Lastenhefts definieren Unternehmen User Stories und fokussieren sich auf die Kernanforderungen. Dies ermöglicht eine schlankere Recherche, indem nur Systeme betrachtet werden, die essenzielle Funktionen bieten. 

Proof of Concept (PoC) und Tests unter realen Bedingungen 

Statt langwieriger Ausschreibungen wird das LVS direkt in einer Testumgebung eingesetzt. Unternehmen testen zwei bis drei Systeme parallel, um realistische Vergleichswerte zu erhalten. Die Entscheidung basiert auf echten Anwendungserfahrungen, nicht nur auf theoretischen Bewertungen. 

Iterative Implementierung und kontinuierliche Optimierung 

Nach der Auswahl erfolgt eine schrittweise Implementierung, sodass das System laufend an die Bedürfnisse angepasst werden kann. Diese Methode vermeidet hohe Anfangsinvestitionen und ermöglicht eine agile Reaktion auf neue Herausforderungen. 

Vergleich: Traditioneller vs. Moderner Auswahlprozess 

Die Wahl zwischen einem traditionellen oder modernen Auswahlprozess für ein Lagerverwaltungssystem (LVS) hängt von den spezifischen Bedürfnissen und Rahmenbedingungen eines Unternehmens ab. Während der traditionelle Ansatz eine umfassende und risikominimierende Planung ermöglicht, zeichnet sich der moderne Ansatz durch hohe Flexibilität und schnellere Implementierungszeiten aus. Die folgende Tabelle gibt einen detaillierten Überblick über die Unterschiede zwischen beiden Methoden: 

Wichtige Auswahlkriterien für ein LVS 

Die Wahl eines geeigneten Lagerverwaltungssystems hängt nicht nur vom Auswahlprozess ab, sondern auch von einer Reihe wesentlicher Kriterien, die individuell auf das Unternehmen abgestimmt sein müssen. Die folgenden Punkte spielen eine zentrale Rolle bei der Entscheidungsfindung: 

  • Technologische Anforderungen: Soll das System Cloud-basiert oder On-Premise sein? Wie gut lässt es sich in bestehende IT-Landschaften integrieren?
  • Funktionalitäten: Welche Kernfunktionen sind erforderlich? Dazu gehören unter anderem Bestandsverwaltung, Automatisierung, Barcode- und RFID-Unterstützung.
  • Benutzerfreundlichkeit: Ein intuitives Interface und mobile Nutzungsmöglichkeiten erhöhen die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden.
  • Kostenstruktur: Implementierungs- und laufende Kosten sollten in einem gesunden Verhältnis zum erwarteten Nutzen stehen.
  • Support & Schulung: Die Verfügbarkeit von technischem Support sowie Schulungsangeboten beeinflusst die Effizienz der Einführung und Nutzung erheblich. 

Diese Auswahlkriterien werden in einem separaten Beitrag noch detaillierter behandelt, um Unternehmen eine noch fundiertere Entscheidungsgrundlage zu bieten. 

Fazit 

Die Einführung eines Lagerverwaltungssystems ist keine triviale Aufgabe. Während sich viele Softwarelösungen – etwa ein neues E-Mail-Programm oder ein Projektmanagement-Tool – relativ unkompliziert installieren und nutzen lassen, ist ein LVS ein tief in die Prozesse integriertes System. Es beeinflusst nicht nur die Lagerhaltung, sondern auch die gesamte Supply Chain, die Arbeitsabläufe der Mitarbeitenden und die Effizienz des Unternehmens. 

Deshalb ist es umso wichtiger, sich ausreichend Zeit für die Auswahl und Implementierung zu nehmen und eine fundierte Entscheidung zu treffen. Ob traditionell oder modern – die Wahl des richtigen Ansatzes hängt von den individuellen Unternehmensanforderungen ab. In einem weiteren Beitrag werden wir die Auswahlkriterien noch ausführlicher beleuchten, um dir eine noch bessere Entscheidungsgrundlage zu bieten. 

 

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Autor*in

Andreas Löwe

Andreas Löwe ist Gründer und Geschäftsführer von even logistics. Mit über 10 Jahren Erfahrung in der Logistik, hat er ein tiefes Verständnis für die Herausforderungen und Chancen der Branche entwickelt. Schon vor einigen Jahren wurde ihm bewusst, dass der Logistikmarkt oft von fehlender Transparenz und Übersichtlichkeit geprägt ist. Anfang 2024 entschied er sich, diesem Problem aktiv entgegenzuwirken, und gründete even logistics – eine Plattform, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Logistikdschungel zu lichten und Entscheidungsträgern klare Orientierung zu bieten.



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