- Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit und Logistik - Der CO2-Anteil der Logistik
Wie hoch ich der CO2-Anteil der Logistik? Ein nicht ganz einfacher Antwortversuch.

In a nutshell: Weltweit werden immer mehr Waren verschifft, geflogen oder per Lkw transportiert. Die Kosten für den Transport sind so gering wie nie zuvor. Nicht selten machen die Transportkosten 10% der Gesamtkosten eines Produkts aus, meistens jedoch liegen sie sogar da drunter (im Schnitt 1-3%). Durch den stetig wachsenden Logistiksektor erhöht sich auch insgesamt das Verkehrsaufkommen, spürbar für uns alle auf den Straßen und Autobahnen, aber auch auf der Schiene, in der Luft- und Schifffahrt. Mittlerweile ist der globale Gütertransport einer der bedeutendsten CO2-Emittenten weltweit. Aber wie groß ist denn nun der Anteil der Logistik?
Die Herausforderung: Die Logistik als Querfunktion über alle Bereiche und Phasen der Wertschöpfungs- und Lieferkette
Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn die Logistik ist eine Aufgabe, die sich quer durch alle Bereiche und Phasen der Liefer- und Wertschöpfungskette durchzieht. Die allgemein genutzten Analysen basieren zumeist auf die Gruppierung/Einsortierung von Sektoren (Emissionen pro Sektor), Rohstoffen (Emissionen von Zement, Stahl, etc.) oder Nationen (Emissionen pro Land) inkl. Einwohner (Emissionen pro Kopf). Und ja: Es gibt noch viel mehr Gruppierungen / Einsortierungen.
Das führt zu folgenden Problemen. Wenn man alle Sektoren betrachtet, wie es beispielsweise Our Wold in Data oder Visual Capitalist gemacht haben, dann ist der CO2-Anteil der Logistik – exklusive der Transporte – in den Sektoren selbst versteckt. Bei den Transporten wiederum sind private Fahrten (Auto, Flugreisen, etc.) enthalten, die man für den logistischen Anteil an den Transportemissionen rausrechnen muss. Des Weiteren stecken Emissionen aufgrund von Heizung- und Energiebedarfen der intralogistischen Immobilien (bspw. Warehouses) wahlweise in den Gebäudeemissionen.


Wollen wir den Anteil der Logistik über alle Disziplinen hinweg ermitteln, müssen wir uns das zusammenpuzzeln.
Disclaimer: Mir ist absolut bewusst, dass das Zusammenpuzzeln all der verschiedenen Studien und Reports keine leichte Aufgabe ist und überdies an der einen oder anderen Stelle diskutabel sein wird. Dies hier ist keine wissenschaftliche Ausarbeitung oder Metastudie. Mir geht es bei der Betrachtung um grundsätzliche Aussagen, die vermittelt werden sollen (bspw. Schiene ist besser als Luftfahrt, wenn es um Emissionen geht) als um die genaue Ermittlung der prozentualen und absoluten Emissionen. Insofern bitte ich jeden Lesenden die Werte mit gedachten Varianzen zu betrachten.
Fangen wir also an.
Weltweit emittieren wir jährlich rund 57 Milliarden Tonnen1 (=57 Gt) Treibhausgase. [12]
Transport allgemein
Der Transportsektor ist weltweit die am schnellsten wachsende Quelle von CO2-Emissionen. Knapp 15% der weltweiten Treibhausgase werden beim Transport ausgestoßen. Das sind rund 9 Milliarden Tonnen1 (=9 Gt) CO2 pro Jahr. [12] Dieser Wert steigt derzeit um jährlich 2,5%. [2] Hierbei ist der Straßenverkehr (Personen- und Güterverkehr) mit einem Anteil von 74,5%2 ein gravierender Klimafaktor an den gesamten Transportemissionen, wobei der Personenverkehr (Autos, Taxis, Busse, Motorräder) den Bärenanteil trägt, nämlich knapp die Hälfte davon. [2]

In Deutschland hat der Transportsektor im Jahr 2023 146 Milliarden CO2 Emissionen in die Atmosphäre geblasen, was 22% des gesamten CO2-Ausstoßes des gesamten Landes entspricht. Dieser Anteil an den Gesamtemissionen ist gegenüber 1990 um 9% gestiegen. [8]
Übrigens: Im Jahr 2016 wurden in Deutschland 63 Milliarden Liter Benzin & Diesel verbraucht. Das sind insg. 86 Schwimmbäder Benzin und Diesel, welches pro Tag in unseren Autos, Busen und Lkws verbrannt wird. [6]
Dabei sollte auch erwähnt werden, dass die Pkw und Lkw effizienter und besser werden, denn im Schnitt belasten Pkw pro gefahrenen Kilometer heute Umwelt und Klima weniger als in der Vergangenheit. Teilweise auch hier durch Regularien des Gesetzgebers (Abgasvorschriften). Absolut betrachtet sind die Partikelemissionen des Verkehrs seit 1995 um 59% gesunken. Nichtsdestotrotz steigen die absoluten Emissionen weiter an. [7] Allein im Güterverkehr werden die Gütertransportmengen bis 2050 voraussichtlich bis zu viermal höher sein als 2010. [2] Und wenn wir so weitermachen wie bisher, wird der Güterverkehr bis 2050 der Sektor mit den höchsten Emissionen sein.
Schauen wir uns die einzelnen Frachttransportarten mal genauer an.
Frachttransport – Straße
50-60% der weltweiten Frachtemissionen werden durch Lkw verursacht. [5] Das sind ca. 2,2 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr. Der Verkehrssektor hat in Deutschland im Jahr 2020 ca. 146 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Innerhalb dessen verursacht der Straßengüterverkehr etwa ein Drittel der CO2-Emissionen: ca. 48 Millionen Tonnen. [8]
Insgesamt sind auf deutschen Straßen ca. 3.410.000 Lkw unterwegs. [5] Die Fahrleistung der Lkw ist in Deutschland zwischen 1995 und 2022 von 47,8 Milliarden Kilometer auf 63,2 Milliarden Kilometer gestiegen. Dabei bilden Diesel-Lkws die absolute Mehrheit. [7]
Die spezifischen CO2-Emissionen (bspw. Stickstoffoxide NOx) des Straßengüterverkehrs sanken von 1995 bis 2018 um rund 33%. In Bezug auf die CO2-Emissionen des Straßengüterverkehrs zeigt sich jedoch, dass die fahrzeugseitigen technischen Verbesserungen beim Energieverbrauch durch die gestiegene Transportleistung überkompensiert wurden. Denn die absoluten CO2-Emissionen erhöhten sich zwischen den Jahren 1995 und 2019 trotz technischer Verbesserungen von 39,3 auf 47,4 Millionen Tonnen um 21%. [7]
Übrigens: 111.420 Tonnen Mikropartikel aus Kunststoff gelangen durch Reifenabrieb alleine in Deutschland pro Jahr in die Umwelt. [7]
Frachttransport – Schiff
Aufgrund der hohen Tonnagen können Schiffe ein vergleichsweise umweltfreundliches Transportmittel sein. Mit zunehmender Schiffsgröße sinken die Transportpreise pro Container und die Emissionen pro transportiertem Gut, während aber die Gesamtemissionen mit der Schiffsgröße steigen. Die meisten Frachtschiffe fahren nämlich mit Schweröl und ohne Rußfilter. [5]
Der Schiffsverkehr ist schon heute für circa 2,6% der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. 2015 betrugen diese (ca. 932 Millionen Tonnen CO2). [9] Im Jahr 2021 wurden rund 80-90% oder 11 Milliarden Tonnen des Welthandels von rund 62.100 Frachtschiffen transportiert. [5] Damit ist die Schifffahrt zu einem Schlüsselelement der Globalisierung geworden. Obwohl die Schifffahrt den Bärenanteil aller internationalen Transporte ausmacht, ist sie überraschenderweise nur für 37% der CO2-Emissionen des Verkehrs verantwortlich. [14]
Übrigens: Schon mal einen Blick darauf geworfen, was mit Schiffen durch die Welt gefahren wird? Ca. 30% der weltweiten gesamten dwt (deadweight tonnage) sind Öl, Gas und Kohle. Wenn wir zu 100% auf erneuerbare Energien umgestiegen wären, würden diese Schiffe, die fossile Energiequellen transportieren, wegfallen. [15]
Schätzungen deuten darauf hin, dass ohne politische Gegenmaßnahmen die CO2-Emissionen des Seeverkehrs in Abhängigkeit von der ökonomischen Entwicklung bis 2050 sogar um 50 bis 250% (1.407 bis 2.345 Millionen Tonnen) im Vergleich zu 2015 (932 Millionen Tonnen) ansteigen könnten. [9]
Frachttransport – Schiene
In Deutschland stößt der gesamte Schienen-Güterverkehr 2,3 Millionen Tonnen CO2 aus. [5] Bei insgesamt 146 Milliarden CO2Emissionen, die der gesamte Transportsektor in Deutschland jährlich ausstößt, macht das also einen Anteil von 1,5%. Sehr gering also.
Güterzüge stoßen mind. 4-mal weniger CO2 aus als Lkws (neueste Berechnungen gehen von dem Faktor 7,4 aus). Ein Güterzug kann dabei bis zu 52 Lkw ersetzen. [10] Würde das heutige Güteraufkommen in Deutschland komplett mit der Bahn transportiert, lägen die Gesamtemissionen nur bei 11 Millionen Tonnen CO2. [5] Denn zu 97% kann der Schienengüterverkehr elektrisch abgewickelt werden. Zusätzlich wird der genutzte Strom von Jahr zu Jahr grüner. Der Schienenverkehr spielt also in einem klimaverträglichen Verkehrssystem eine tragende Rolle. [10]
Frachttransport – Flugzeug
Der Transport von Luftfracht ist die schnellste Möglichkeit, Waren von einem Ort an einen anderen zu bringen. Luftfracht ist schneller, sicherer und zuverlässiger als bspw. Seefracht, aber eben auch teurer. Luftfracht wird idealerweise genutzt, wenn die Versandkosten weniger als 15-20% des Warenwertes betragen.
Der Umfang von Gütern und Post, die mit dem Flugzeug transportiert werden, hat enorm zugenommen. 2018 waren es in Deutschland knapp 5 Millionen Tonnen – eine Verdopplung im Vergleich zu 2001. Allerdings machten die Güter, die per Flugzeug transportiert werden, 2018 weniger als 1% der nach Deutschland beförderten Fracht und etwa 1,5% der aus Deutschland ausgeführten Fracht aus. [11]
Im Jahr 2020 emittierte die Luftfracht, die so wenig Fracht transportierte, schätzungsweise 155 Millionen Tonnen CO2. Hier variieren aber die geschätzten Werte teilweise enorm. Fakt ist, dass pro transportierte Tonne und Kilometer die Luftfracht mit Abstand die schlechtesten CO2-Emissionswerte hat. [5]

Intralogistik
Der Intralogistiksektor ist der am wenigsten erforschte Bereich der Logistik hinsichtlich CO2-Emissionen. Bisher gibt es wenige Studien dazu. Das Fraunhofer IML hat ein REff Assessment Tool entwickelt und zur Verfügung gestellt, welches Unternehmen dabei unterstützen soll, den Ressourcenverbrauch und die Emissionseffizienz mit Fokus auf Logistikstandorte zu messen und zu monitoren. [13] Zusätzlich war das Fraunhofer Institut Initiator und Teilnehmer des GILA-Projektes, welches Marktstudien zu der Umwelt -Performance von Logistikstandorten durchführt, um diese besser zu verstehen und bestehende Datenlücken zu Treibhausgasemissionen zu schließen.
Der Betrieb von im weitesten Sinne Logistikstandorten (Distributionszentren, Fulfillment Centern, Cross-Docking, etc.) benötigt Strom und Energie. Sowohl für das Gebäude selbst (Heizung, Lüftung, Licht) als aber auch für die genutzte Technologie innerhalb der 4 Wände eines Logistikstandortes (Stapler, Fördertechnik, Robotik). Die Mittel dafür kommen heute noch sehr häufig aus fossilen Energieträgern wie Öl und Gas.
Verlässliche Daten, wie viel die Logistikstandorte bspw. in Deutschland an CO2 emittiert haben, gibt es nicht. Das MIT hat hierzu eine Untersuchung veröffentlich und eine Abschätzung abgegeben. [3]/[4]
Der CO2-Anteil der Logistik und der Intralogistik – Ein Versuch
Puh, OK. So weit, so komplex, so undurchsichtig. Es ist schwierig über unterschiedliche Quellen und ggf. Berechnungsmethoden eine verlässliche Aussage darüber zu treffen, wie viel Emissionen die Logistik verursacht. Insbesondere die Intralogistik hat hier noch Nachholbedarf. Was aber auch nachvollziehbar ist, denn die Dekarbonisierung des Transportsektors ist heute der größte Hebel, auf den sich die Logistik fokussiert.
Gibt es Forschungen zum CO2-Anteil der Logistik? Ja, aber nicht sehr viele. Beispielsweise trägt laut Forschern der Massachusetts Institute of Technology Supply Chains Initiative3 der Gütertransport etwa 9% zu den weltweiten Treibhausgasemissionen bei. Rechnet man Lagerbetriebe hinzu, erhöht sich diese Zahl auf 11%. [3]/[4] Der Anteil der „Admin“-Emissionen (Daten, SW, AI, IT-Infrastruktur, etc.) ist aktuell noch vergleichsweise gering, wird aber in den nächsten Jahren exponentiell steigen.

Fazit
Es gibt wirklich viele unterschiedliche Perspektiven. Wir sollten also alle Berichte bezogen auf CO2-Emissionen (absolut und prozentual) einer Branche, eines Sektors, eines Unternehmens immer im Kontext sehen und vor allem nicht auf EIN EINZIGES KPI runterbrechen.
- Der Transportsektor (Person- und Güterverkehr) ist für 15% der Gesamtemissionen verantwortlich, wobei der Straßenverkehr die Hauptlast trägt (75% Anteil an den 15%).
- Die Zahl der Pkws und Lkws auf den Straßen steigt.
- Bei den Emissionen des Transportsektors müssen also die privaten Emissionen (Pkw-Nutzung) rausgerechnet werden, um den Anteil der Transportlogistik (Güterverkehr) zu ermitteln.
- Die Transportlogistik (nur Güterverkehr) hat mit 9% den größten Anteil.
- Bei den Frachtgütern hat der Lkw-Transport mit 50% (Anteil an den 9%) den größten Anteil an den Emissionen.
- Die Schifffahrt transportiert 80% der weltweiten Fracht, ist aber nur für rund 22% (Anteil an den 9%) der Emissionen verantwortlich.
- Die Schiene hat einen sehr geringen Anteil an den Emissionen der Transportlogistik (in Deutschland ca. 1,5%; weltweit sind es ein bisschen mehr).
- Das Flugzeug transportiert mit Abstand am wenigsten, stößt aber auch mit Abstand am meisten CO2 aus mit ca. 23% (Anteil an den 9%). Ist dafür aber auch am schnellsten am Zielort.
- Der Intralogistiksektor ist der am wenigsten erforschte Bereich der Logistik hinsichtlich CO2-Emissionen.
- Es kann davon ausgegangen werden, dass der Anteil der Intralogistik bei maximal 2% liegt.
- Somit ergibt sich folgendes Bild:
- Die Logistik hat ungefähr einen Anteil von 11% and den Gesamtemissionen.
- Die Transportlogistik zeichnet sich für 9% verantwortlich.
- Die Intralogistik zeichnet sich für max. 2% verantwortlich.
- Emissionen im Bereich IT sind aktuell vernachlässigbar, werden aber exponentiell steigen.
- Die Logistik hat ungefähr einen Anteil von 11% and den Gesamtemissionen.
1 Hier nehme ich als Basis die Daten von 2023, weil sie die aktuellsten verfügbaren Daten sind (Quelle: [12] Visual Capitalist)
2 Hier nehme ich als Basis die Daten von 2018, weil die prozentuale Aufteilung sich nicht grundlegend geändert hat (Quelle: [2] Our World in Data)
3 Hier wird es ein bisschen „inkonsequent“, denn der Report auf iso.org / Climate Portal nutzt andere absolute und prozentuale Gesamtemissionszahlen als Our world in data oder Visual Capitalist. Die prozentuale Einordnung und Abschätzung der Logistikemissionen des MIT halte ich aber nach Diskussionen mit Professoren für die realistischste Schätzung; dennoch bin ich / sind wir in diesen Diskussionen auf den Schluss gekommen, dass der prozentuale Wert irgendwo zwischen 8 und 11% liegt, und insofern haben wir uns auf 9% geeinigt (Quelle: MIT; zu finden über [3]/[4])
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Quellen
- [1] Our World in Data (2020)
- [2] Our World in Data (2020)
- [3] iso.org (2023)
- [4] Climate Portal (2023)
- [5] Esther Gonstalla „Atlas eines bedrohten Planeten“ (2023)
- [6] TV-Doku „Wir können auch anders“ (2023)
- [7] Umweltbundesamt (2024)
- [8] Umweltbundesamt (2024)
- [9] Umweltbundesamt (2024)
- [10] bund.net (2023)
- [11] Fliegen und Klima (2020)
- [12] Visual Capitalist (2023)
- [13] Fraunhofer / Reff-Tool (2023)
- [14] BritMonkey (2021)
- [15] marinetraffic.com