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Was dich nachts nicht schlafen lässt, ist selten dein wirklich größtes Problem

Johanna Peter

Thomas Lechl über Bergzeits Weg zur automatisierten Logistik, worauf es unterwegs wirklich ankam – und was andere daraus lernen können.

Thomas lechl 2025

 In a nutshell: Als Bergzeit 2019 die eigene Logistik automatisieren wollte, lag die Idee längst in der Schublade. Konkret umgesetzt wurde eine neue Lagerhalle mit Shuttle-Technologie, Fördertechnik und überarbeiteten Pick-Pack-Strukturen – geplant vor der Pandemie, gebaut und in Betrieb genommen währenddessen

Im Gespräch erklärt Logistikleiter Thomas Lechl, worauf es bei der Umsetzung wirklich ankam, was alles schief, aber auch gut oder genau richtig lief – und warum gerade diese Mischung heute das Fundament einer funktionierenden Anlage bildet. Wer verstehen will, wie Automatisierungsprojekte in der Praxis aussehen, bekommt hier ehrliche Antworten, konkrete Learnings und viel Zwischen-den-Zeilen-Erfahrung. 

 

Johanna: 
Thomas, wir wollen über euer Automatisierungsprojekt sprechen. Hol uns doch mal ab: Wann und unter welchen Voraussetzungen habt ihr damals entschieden, überhaupt zu automatisieren? 

Thomas: 
Die Entscheidung hat sich eigentlich schon recht früh angedeutet – noch bevor sie konkret wurde. Als wir 2017 das Firmengelände gekauft und die erste Logistik-Baustufe geplant haben, hat man strukturell bereits mitgedacht, dass es eine zweite Ausbaustufe mit Automatisierung geben soll. Natürlich wusste man noch nicht, was das genau sein würde – aber man hat Flächen freigehalten, Anschlüsse vorgesehen, Hallenschiffe planbar gemacht. 

Als ich 2018 dazukam, war das Thema schon auf dem Tisch. Ich wurde mit dem klaren Ziel eingestellt, diesen nächsten Schritt mitzugestalten. Mir wurde gesagt: „Wir wachsen, wir haben ein Stufenkonzept – aber es ist noch nicht ausgereift. Da soll deine Erfahrung rein.“ Und genau so war es auch. 


Warum habt ihr das Thema nicht direkt 2017 angegangen? 


Damals war Bergzeit noch ein viel kleineres Unternehmen. Umsatzmäßig lagen wir vielleicht bei 30, 40 Millionen Euro – das war gefühlt noch Startup-Niveau. Klar war da die Idee: „In ein paar Jahren wollen wir die 100 Millionen knacken“, aber ob man so einem Wachstum auch wirklich traut, ist nochmal was anderes. 

Man hat planerisch vieles vorbereitet, aber sich bewusst gegen eine direkte Umsetzung entschieden. Auch, weil die Professionalität im Unternehmen noch nicht da war. Es gab viele interne Leute, die das Ding großgezogen haben – aber noch wenig erfahrenes Management. 

Solche Projekte brauchen Erfahrung und ein klares Setup. Deshalb hat man erstmal mit manuellen Prozessen gearbeitet, aber eben so, dass man später aufrüsten kann. 


Du hast gesagt, das Projekt war bei deiner Einstellung schon angekündigt. War das für dich ein Anreiz?


Auf jeden Fall. Ich komme aus einem Konzernumfeld, war viele Jahre in der Logistik bei einem SDAX-Unternehmen. Dort hast du auch Gestaltungsspielraum – aber halt innerhalb sehr klarer Strukturen. Wenn du da ein großes Projekt machen willst, musst du oft gefühlt 30 Leute fragen und durch zehn Gremien. 

Bei Bergzeit war das anders. Ich wusste: Hier kannst du Dinge nicht nur mitdenken, sondern auch realisieren. Klar musst du dich abstimmen – aber es ist schnell, direkt und lösungsorientiert. Das hat mich total gereizt.

Dann ging es 2019 los mit der konkreten Planung. Wie habt ihr die Systementscheidung getroffen?


Zunächst mal mit einem Partner, der uns planerisch unterstützt hat. Wir haben relativ schnell entschieden, dass es eine Shuttle-Technologie werden soll. Andere Systeme konnten wir früh ausschließen. 

Dann ging’s auf Referenzreisen: nach Holland, Österreich, zu anderen Projekten in Deutschland. Wir wollten sehen, wie andere das machen, was funktioniert, was nicht. Diese Besuche waren für uns unglaublich wertvoll – viel mehr als Präsentationen oder Prospekte. Am Ende hatten wir drei Anbieter auf der Shortlist, als plötzlich der Lockdown kam. 


Wie habt ihr in dieser Situation entschieden? Viele hätten das Projekt vermutlich erstmal gestoppt. 


Unsere Gesellschafter haben gesagt: „Die Pandemie wird uns nicht ausbremsen.“ Sie waren da sehr klar. Und ehrlich gesagt: Diese Haltung hat uns sehr geholfen. 

Wir haben gesagt: Wenn wir den Auftrag jetzt platzieren, kriegt die Firma Auslastung – und wir sind bereit. Wir haben auch offen kommuniziert: „Das ist jetzt kein Dumpingauftrag – aber wir meinen es ernst.“ Rückblickend war es eine gute Entscheidung. Denn was dann kam, war eine riesige Nachfragewelle. 


Wie hat sich das konkret ausgewirkt? 


Wir sind ein Onlinehändler für Outdoor-Ausrüstung – und in der Pandemie wollten plötzlich alle raus. Reisen ging nicht, Filialen waren zu – aber Wandern, Radfahren, Skitouren schon. Die Leute hatten Zeit, sie hatten Geld – und sie haben bestellt. 

Wir hatten teilweise 40, 50 Prozent über Plan. Und das Projekt lief parallel. Natürlich war das für die operative Mannschaft eine enorme Belastung – aber wir konnten das sauber trennen: Das Lager stemmt das Tagesgeschäft, das Projektteam plant die Zukunft. 


Wie lief dann die Umsetzung – was waren die größten Stolpersteine? 


Der Stahlbau war brutal. Das hat sich ewig gezogen. Der erste Unternehmer ging pleite, dann kamen neue Bautrupps, falsche Lieferungen, Verzögerungen. Acht Monate hat das allein gedauert. Und du denkst dir: „Kommt doch mal voran!“ 

Weil das alles so lang dauerte, wurden auch die Folgegewerke nervös: Brandschutz, Fördertechnik, Sprinkler. Die sagten: „Wenn ihr jetzt nicht fertig werdet, sind wir beim nächsten Projekt – und dann kommen wir so schnell nicht zurück.“ 


Gab’s auch kleinere Pannen, die euch überproportional viel gekostet haben? 


Oh ja – die IPAK-Maschine. Die sollte einfach geliefert und eingebracht werden. Stattdessen ist der Lkw im Matschvor der Halle versunken, die Türöffnung war zu klein, und das Montageteam sprach nur Französisch. Kein Wort Englisch, kein Wort Deutsch. 

Es war ein einziges Missverständnis. Irgendwann hieß es: „Thomas, wir brauchen dich als Eskalationsstufe auf der Baustelle.“ Und ich dachte nur: „Was soll ich da jetzt noch ausrichten?“ Aber das gehört halt dazu. 


Wie habt ihr euer Team im Lager durch diesen Veränderungsprozess begleitet? 

Frühzeitig und transparent. Wir haben in regelmäßigen Meetings und Updates erklärt, was wir vorhaben. Und dann kam irgendwann der Moment, wo ich auf der Fläche stand und sagte: „Wenn ihr da rausschaut, seht ihr bald Bagger. Und das ist gut so – denn ohne die, haben wir bald ein echtes Problem.“ 

Wichtig war, klarzumachen: Das ist kein Abbauprojekt, sondern ein Schritt, um arbeitsfähig zu bleiben. Und ich glaube, weil wir das ehrlich kommuniziert haben, gab es kaum Widerstand. 

Schulungen haben wir früh eingeplant – nicht nur technisch, sondern auch, um Ängste zu nehmen. Denn wenn du Prozesse änderst, kommen Fragen. Und manchmal auch Sorgen.


Wie lief der Go-live, als es dann tatsächlich in die Umsetzung ging? 

Zu Beginn lief alles erstaunlich glatt – aber eben, weil wir es zu langsam angegangen sind. Unser Plan war, schrittweise hochzufahren: erst eine Gasse, dann nach und nach mehr. Und unter diesen Bedingungen lief es auf Anhieb. Keine Fehler, keine Probleme. Fast ein bisschen zu reibungslos. 

Die echten Learnings kamen erst, als wir wirklich Last draufgegeben haben – mehrere Gassen parallel, mehr Volumen, echte Dynamik. 

Da wurde klar: Wir hätten viel früher Gas geben müssen. Dieses sanfte Anlaufen hat uns ein Stück weit ausgebremst. Der Realbetrieb zeigt sich eben erst unter voller Belastung. 

Was genau habt ihr in dieser Phase gelernt? 

Zum Beispiel, dass Versandtüten auf Fördertechnik problematisch sind. Die laufen unruhig, blockieren, machen keine gute Figur. Auch unsere Pick-Pack-Strategie mussten wir anpassen. Manche Ziele sind technisch leichter zu bedienen, andere komplexer. 

All das findest du nicht in der Theorie heraus – sondern nur in der Praxis. Und du brauchst ein Team, das mitdenkt und mitlernt. 


Was waren Sachen, die euch besonders weitergebracht haben? 

Der Austausch mit anderen. Wir durften bei mehreren Unternehmen reinschauen – echte Anlagen, echte Gespräche, keine Verkaufsveranstaltung. Und wir machen das heute auch so. Wenn jemand kommt und sagt: „Können wir mal bei euch reinschauen?“, dann sagen wir: „Na klar.“ 

Denn ohne diesen Austausch hätten wir viele Dinge nicht so gut hinbekommen. 


Hat sich durch das Projekt deine Rolle verändert? 

Nicht meine persönliche Haltung, aber schon die Wahrnehmung der Logistik im Unternehmen. Früher war das oft „die Abwicklung“. Heute ist klar: Ohne funktionierende Operations läuft gar nichts. 

Und das wird gesehen – nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Branche. 


Abschließend: würdest du so ein Projekt nochmal machen? 

Ja, auf jeden Fall. Ich weiß jetzt besser, worauf ich achten muss, was gut funktioniert – und wo es klemmen kann. Ich finde solche Projekte spannend. Und bei uns geht die Reise auch weiter, die nächsten Schritte kommen sicher. 

💡 Was man aus Bergzeits Projekt mitnehmen kann

Austausch statt Alleingang:
Andere Unternehmen ins eigene Lager zu lassen – und umgekehrt – war laut Lechl der wertvollste Baustein im gesamten Projekt. Ohne echte Erfahrungswerte hätten viele Entscheidungen weniger treffsicher ausfallen können.

Systemverständnis braucht Praxis:
Die entscheidenden Learnings kamen nicht aus der Theorie, sondern durch echtes Hochfahren, Fehlerbilder und Umsteuerung im Betrieb.

Technik funktioniert nicht im luftleeren Raum:
Wer automatisiert, muss Team, Kommunikation und Prozesse von Anfang an mitdenken – sonst läuft’s technisch, aber nicht operativ.

 

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Autor*in

Johanna Peter

Johanna Peter ist Content Marketing Managerin bei even logistics. Mit einem Hintergrund in Journalismus und Kommunikation beschäftigt sie sich mit den Themen und Perspektiven, die den Logistikalltag prägen. Bei even führt sie Interviews mit Menschen aus der Praxis und bereitet ihre Einblicke für den Blog auf. Seit 2025 ist sie Teil des Teams und bringt einen unvoreingenommenen Blick auf die Branche mit – besonders auf die Fragen, die sich rund um Entscheidungen, neue Technologien und Veränderungen stellen. Im Mittelpunkt steht für sie der Austausch: verstehen, einordnen, weitersagen. Abseits von even liebt sie gute Geschichten – egal ob in Büchern, Podcasts oder unterwegs beim Reisen.


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