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10 Fragen, die sonst nur Frauen gestellt bekommen

Lisa-Marie Karusseit

Ein Interview mit Thoralf Krause, vierfacher Vater und Head of Logistics

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In a nutshell: Thoralf Krause, Global Head of Logistics bei Drees & Sommer, beantwortet Fragen, die typischerweise Frauen in Führungspositionen gestellt werden. Er ist vierfacher Vater – seine Kinder sind 24, 21, 10 und 7 Jahre alt – und hat parallel eine erfolgreiche Karriere aufgebaut. Wie er Job und Familie unter einen Hut bringt, erzählt er im Interview. 

Lisa: Was machst du bei Drees & Sommer und wie hängt deine Tätigkeit mit der Logistikbranche zusammen? 

Thoralf Krause: Drees & Sommer ist ein international tätiges Beratungsunternehmen für Bau- und Immobilienprojekte. In meinem Bereich geht es darum, Lösungen für die Logistik der Zukunft zu entwickeln – also nicht nur darum, wie man ein Lagerhaus baut, sondern wie sich ganze Lieferketten oder Hafeninfrastrukturen effizient gestalten lassen. Ich denke die Prozesse von der Supply Chain bis ins Werk hinein – und darüber hinaus. Es geht um einen integralen Ansatz, der Mehrwerte für unsere Kunden aber auch Innovationen schafft und uns als Vordenker positioniert. 

Lisa: War das schon immer dein Ziel, in der Logistik zu arbeiten? 

Thoralf Krause: Überhaupt nicht – es war eher ein Zufall. Ich habe Architektur studiert, war sechs Jahre in der Forschung und Lehre an der Bauhaus-Uni in Weimar. Ich habe schnell gemerkt, dass meine Stärke eher darin liegt, Dinge anzustoßen und nicht unbedingt, sie operativ zu Ende zu führen. Nach meiner Zeit an der Uni bin ich in die Industrie gewechselt, da kam es zum ersten Mal zu einem echten Spagat zwischen Beruf und Familie. Meine erste Ehe ging damals in die Brüche, nicht nur wegen der vielen Arbeit, sondern weil wir uns unterschiedlich entwickelt haben. Ich leitete erst einen, später mehrere Standorte eines Kunststoff-Instituts. Ab diesem Zeitpunkt wurden berufliche Reisen und Kundengespräche für mich zu einem reizvollen, aber zugleich auch für die Familie fordernden Bestandteil. Bei Drees & Sommer habe ich vor 5 Jahren im Business Development angefangen und bin jetzt seit zweieinhalb Jahren für die Branche Logistik verantwortlich. Die Logistik hat mich sofort fasziniert, es ist ein riesiges Puzzle aus Prozessen, Warenströmen und Strukturen. 

Frage 1 

Lisa: Hast du deine Karrierepläne angepasst, als du Vater wurdest? 

Thoralf Krause: Ja, zwangsläufig – nicht, weil ich musste, sondern weil ich es wollte. Ich wurde direkt nach dem Studium Vater und habe bewusst nach Wegen gesucht, selbstbestimmt zu arbeiten. Ein klassischer 9-to-5-Job kam für mich nicht infrage. Ich wollte morgens meine Kinder in die Schule oder den Kindergarten bringen können – einfach präsent sein. 

Frage 2 

Lisa: Wie hast du es geschafft, Karriere und Familie zu vereinbaren? 

Thoralf Krause: Ob ich es geschafft habe? Das wird mir später vielleicht meine Familie sagen können. Ich bemühe mich sehr, beides unter einen Hut zu bekommen, aber leicht ist es nicht. Ich möchte meine Kindern nicht nur behüten oder bespaßen sondern auch vorleben, wie man das Leben meistern kann. Meine Karriere, das stetige Suchen nach neuen Herausforderungen ist ein wesentlicher Bestandteil davon. 

Frage 3 

Lisa: Wer kümmert sich um die Kinder, wenn du lange arbeitest? 

Thoralf Krause: Das ist ganz unterschiedlich. Meine beiden Töchter aus erster Ehe sind seit ein paar Jahren aus dem Haus und gehen ihre eigenen ganz wunderbaren Wege. Für unsere beiden Jungs haben wir das große Glück, dass beide Omas in der Nähe wohnen und uns sehr unterstützen. Als die beiden Jüngeren noch nicht in der Schule waren, lag der Hauptteil der Betreuung bei meiner Frau. Ich habe versucht, meine Termine immer so zu legen, dass es für die Familie passt. Ein wichtiger Punkt für die Unterstützung von Familien wäre ein verlässliches Betreuungsangebot von Kindergarten und Hort in der Grundschule.

Frage 4 

Lisa: Hast du überlegt, in Teilzeit zu gehen? 

Thoralf Krause: Ja, definitiv. Als meine beiden älteren Töchter klein waren, war das gesellschaftlich kaum denkbar, auch Elternzeit für Väter war noch kein Thema. Beim dritten Kind hätten meine zweite Frau und ich es gern gemacht, aber die finanziellen Einbußen wären zu groß gewesen. Beim vierten Kind haben wir es dann mit immenser Planung geschafft. Ich empfinde es als ungerecht, dass höherverdienende Eltern beim Überbrückungsgeld benachteiligt werden. Ich bekam damals 300 Euro als Ausgleich und war Alleinverdiener. Das muss man erst mal stemmen. Das Konzept ist gut, aber es geht oft an der Realität der Familien vorbei. 

Lisa: Würdest du sagen, dass dadurch auch Frauen benachteiligt werden? 

Thoralf Krause: Ja, ganz klar. Aber nicht nur Frauen, auch Männer - Eltern generell. In der Praxis wird häufig der besserverdienende Elternteil automatisch in die Rolle des ‚Ernährers‘ gedrängt. Und das beraubt sie ein Stück weit der Möglichkeit, echte Präsenz im Familienleben zu zeigen. Diesen gesellschaftlichen Konflikt überlässt man dem Elternpaar.  

Frage 5 

Lisa: Hast du ein schlechtes Gewissen, wenn du wegen der Arbeit weniger Zeit mit deinen Kindern verbringst? 

Thoralf Krause: Ein schlechtes Gewissen vielleicht nicht, aber ein schlechtes Gefühl schon. Besonders auf längeren Dienstreisen. Man sitzt dann abends alleine im Hotel und wünscht sich einfach, mit den Kindern zu Hause zu sein. Da helfen auch keine Videocalls. 

Frage 6 

Lisa: Werden Männer im Topmanagement deiner Meinung nach weniger kritisch beurteilt, wenn sie Familie und Haushalt hinten anstellen? 

Thoralf Krause: Ja, ich glaube schon, zumindest unbewusst. Aber es bewegt sich etwas. Wenn Männer heute kreative Wege finden, beides zu vereinen, wird das reflektiert und ,Mann‘ fragt nach

Frage 7 

Lisa: Musstest du dich besonders beweisen als Vater mit Karriere? 

Thoralf Krause: Absolut. Und das in doppelter Hinsicht. 

Lisa: Hattest du jemals den Gedanken, deine beruflichen Ziele deshalb zurückzuschrauben? 

Thoralf Krause: Ja, das gab es. Aber nicht, weil mich der Job überfordert hätte, eher wegen der Frage: Bekomme ich und damit auch meine Familie zurück, was ich investiere? Der aktuelle Job erfüllt mich sehr. Aber natürlich beschäftigt mich das Thema Priorisierung immer wieder. 

Frage 8 

Lisa: Hattest du jemals Zweifel an deinen eigenen Kompetenzen? 

Thoralf Krause: Klar. Ich finde, das gehört dazu. Ich habe ein gutes Gespür für meine Stärken und leider auch für meine Schwächen. Und ich finde, Selbstreflektion ist wichtig und hilfreich. 

Frage 9 

Lisa: Wie gehst du mit Druck um? 

Thoralf Krause: Indem ich bewusst Auszeiten nehme. Es gab eine Zeit, da hat das zwischen mir und meiner Frau nicht gut funktioniert. Ich habe die Probleme von der Arbeit mit nach Hause gebracht. Sie hat mir damals sehr klar gesagt: ,So geht’s nicht weiter‘. Ich habe mit intuitivem Bogenschießen angefangen – einfach um abzuschalten und Druck hinter mir zu lassen. 

Außerdem haben wir seit über zwölf Jahren einen kleinen Weinberg. Da verbringen wir die Wochenenden, ohne Handyempfang, ganz basic. Die Kinder fanden das am Anfang nicht so toll…jetzt genießen wir die Familienzeit. 

Und: Ich arbeite nicht im Homeoffice. Ich finde, das Konzept ist ein Trugschluss. Wenn ich zu Hause bin, will ich wirklich da sein – nicht meinen Kindern sagen müssen: „Ich bin zwar eigentlich hier, aber gerade nicht erreichbar.“ 

Frage 10 

Lisa: Jetzt kommt meine Lieblingsfrage. 

Thoralf Krause: Ich bin gespannt. 

Lisa: Inwiefern beeinflusst dein Aussehen deinen beruflichen Erfolg? 

Thoralf Krause: Ich glaube, nicht unerheblich. Auch Männer sind sich bestimmter Signale bewusst. Ich achte auf mein Erscheinungsbild, aber bleibe dabei authentisch. Und ja, ich glaube, ein gepflegtes, ungekünsteltes Auftreten hilft, besonders im Kundenkontakt. 

Lisa: Vielen Dank für das offene Gespräch, Thoralf. 

Autor*in

Lisa-Marie Karusseit

Lisa ist seit mehreren Jahren als Personal- und Kommunikationsexpertin in den Bereichen E-Commerce und Logistik tätig. Bei even logistics teilt sie ihre umfangreichen Erfahrungen, führt Gespräche mit Expert*innen und zeigt auf, wie starke People & Culture-Strategien den nachhaltigen Erfolg von Logistikunternehmen fördern. Jenseits des beruflichen Alltags tobt sich Lisa mit abstrakter Kunst kreativ und auf dem Surfbrett sportlich aus.


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